Beeinflusst die Darmflora unser Essverhalten und unsere Psyche?

Manchmal entscheidet man „nach Bauchgefühl“. Oder man meint „mein Bauch sagt mir,…“ oder „Ich hör auf meinen Bauch!“. Bisher wurde landläufig angenommen, dass es sich damit um einfache Redewendungen handelt, doch es mehren sich die Forschungsergebnisse, die darauf schließen lassen können, dass uns unser Bauch in Wirklichkeit doch mehr zu sagen hat (und das auch tut!), als wir uns bisher vorstellen konnten! In unserem Bauch wohnen mehr Bakterien, als unser eigener Körper Zellen hat – die Darmflora ist somit das eigentlich größte Organ. Das Wissen um die vielen kleinen „Darmbewohner“ in uns nimmt auch in der Bevölkerung zu. Nicht nur durch Bestseller wie „Darm mit Charme“ von Giulia Enders wird uns immer mehr bewusst, wie wichtig es ist, auf eine gesunde Darmflora zu achten.

Vom Darm zum Hirn

Nicht jeder Mensch hat dieselbe Darmflora, jeder hat sein eigenes, individuelles „Bauchgeflüster“, bzw. seinen eigenen „Darmflora – Fingerabdruck“, der sich aus ca. 800 bis 1000 verschiedenen Bakterien zusammensetzt. Jeder besitzt mit dem Vagusnerv auch eine direkte Verbindung vom Bauch ins Gehirn. Man spricht auch vom „Bauchhirn“ oder der „Darm-Hirn-Achse“. Neueste Untersuchungen haben gezeigt, dass Bakterien der Darmflora und ihre Abbauprodukte an den Rezeptoren des Vagusnervs zu Signalen direkt ins Gehirn führen. Dadurch haben unsere klitzekleinen Darmbewohner quasi einen „direkten Draht ins Oberstübchen“: die „Darm-Hirn-Achse“ funktioniert nämlich in beide Richtungen!

Depression durch gestörte Darmflora?

In Tierversuchen fand man heraus, dass die Darmflora sogar Stimmungen beeinflussen kann. Dazu wurden Mäusen mit keimfreiem Darm die Darmflora von besonders ängstlichen Tieren eingepflanzt – und aus den einstigen „Normalmäusen“ wurden „Angstmäuse“! Umgekehrt funktionierte es auch: man konnte durch Verpflanzung entsprechender Darmflora ängstliche Mäuse mutig machen! In wie weit solche Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind, ist noch nicht ganz klar. Erste Ergebnisse sprechen aber stark dafür, dass auch beim Menschen eine gestörte Darmflora zu z.B. Depressionen führen kann. Wie groß der Einfluss unserer Darmflora auf unser Verhalten und unsere Psyche ist, weiß man noch nicht ganz genau. Eins ist jedoch sicher: die Darmflora beeinflusst uns und unser Verhalten mehr, als bisher angenommen!

Gott sei Dank haben wir aber die Macht über all unsere kleinen Helfer, denn durch unsere Nahrung bestimmen wir selbst, wie wohl sich wer hinter unserem Bauchnabel fühlt und können durch richtige Ernährung unser (Ess-) Verhalten quasi „aus dem Bauch heraus“ steuern.

Ein Heer von „Verwertungsspezialisten“

Jede Art Darmbakterium ist auf eine bestimmte Art von Nahrung spezialisiert: dem einen „schmecken“ nur Fette, dem anderen z.B. nur Eiweiße oder Zucker. Je nach dem, was eine Bakterienart zum Überleben braucht, so sendet sie über die „Darm-Hirn-Achse“ Signale ans Hirn (und somit an uns), um das zu bekommen, was sie gerne „fressen“ möchten. Das heißt für uns: Haben wir uns durch ungesundes Essverhalten gerade eine große Kolonie fettliebender gefräßiger Darmbakterien „gezüchtet“, senden diese Signale an unser Gehirn, die uns eher Lust auf fettreiche Speisen machen und uns zu nicht gerade Figur fördernden Lebensmitteln greifen lassen. „Ich kann nichts dafür, meine Darmbakterien sind schuld“ könnte bald schon eine beliebte Ausrede werden. Aber auch diese Ausrede bleibt das, was sie ist: eine Entschuldigung für eigenes Fehlverhalten. Wir selbst müssen uns nicht zum „Sklaven“ unserer „Hausgäste“ machen! Studien haben nämlich gezeigt, dass die Darmflora keine große Ausdauer besitzt und schon innerhalb von 24 Stunden auf ein geändertes Essverhalten reagiert.

In unserem Darm „wohnen“ aber nicht nur Bakterien, sondern auch Hormone. Deren Ausschüttung wird u.a. auch von Darmbakterien beeinflusst. Und die können wir wiederum mit unserer Ernährung beeinflussen. Ganz schön komplex!

Wunschkonzert für die Darmflora

Je mehr man sich mit seinem Darm und dessen Funktionen beschäftigt, desto klarer wird, dass man das natürliche „Ökosystem“ unseres Körpers im Darm so wenig wie möglich stören sollte. Ernährungsumstellung, Stress, Präbiotika oder Antibiotika verändern im Alltag unsere Darmflora. Noch ist die Forschung nicht weit genug, um uns konkrete Anwendungstipps zu geben, mit welcher Nahrung man genau jene Darmbakterien „anfüttert“, die z.B. ganz spezifisch gegen Übergewicht wirken könnten. Dennoch können wir schon jetzt selbst dafür sorgen, dass nicht jedes „Bauchgefühl“ nur ein von „Untermietern“ generiertes „Wunschkonzert“ ist. Die Forschungsergebnisse deuten eindeutig darauf hin, dass eine gesunde Ernährung die Bakterienarten fördert, die mit der Kommunikation über den Vagusnerv und im Zusammenspiel mit Hormonen auch genau diese Signale ans Hirn senden, die unser Handeln zu einer Beibehaltung dieser Ernährung steuert. Mit unseren Entscheidungen können wir so den „Schokojunkies“ unter unseren „Hausgästen“ weniger Macht geben, indem wir statt zur Schokolade dann doch zum Apfel greifen – und damit die „Obstjunkies“ unter unseren nützlichen Helferlein fördern.

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